Hauptkategorie: Ludwig Pfau

Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 14. 12. 1886
Adressat: Anna Spier


Stuttgart den 14. Dez. 1886

Liebe Anna! Die Broschüre wirst Du erhalten haben. Die Frankfurter Rede konnte ich in Stuttgart nicht auftreiben und mußte sie erst von Zürich kommen lassen. Ob Dich der Lübke interessirt, weiß ich nicht, das 'Stuttgarter Rathhaus' hast Du ja verlangt, also ist's Deine Schuld, wenn Dich diese Lokalgeschichten langweilen. In diesem Fall leg sie bei Seite. Besonderes Interesse dafür wird nicht verlangt. Ich hab doch die Hefte schon Freitag Abend abgeschickt, und doch mußt Du sie am Samstag Abend noch nicht gehabt haben.

Du machst mir Vorwürfe, daß ich Dir nichts wegen der 'Freien Studien' schreibe. Daß sie Dich interessiren würden, auch wenn sie nicht von mir wären, trau ich Dir zu; und es ist mir
lieber, wenn Dich das Buch erfreut um dessen willen, was darin steht, als um dessen willen, der es geschrieben hat. Obwohl ich gar nichts dagegen habe, wenn Du diesem letzteren auch gut bist. Ich freue mich freilich darüber, daß Du empfänglich für allgemeinere und höhere Auffassungen bist, aber ich freue mich noch mehr darauf, das eine oder andere des Inhalts mit Dir zu besprechen, wenn wir wieder einmal beisammen sind. Ich bin begierig, ob Du die Denkarbeit nicht gescheut hast, die Dir wohl beim Lesen hie und da nicht erspart bleiben wird. In der Beziehung trau ich als den Frauen nur halb. Sie schöpfen gern die Butter weg und lassen den Kutter liegen. Im übrigen glaube ich doch, daß es so geschrieben ist, daß eine intelligente Frau sich des Inhalts ohne Schwierigkeit bemächtigen kann. Ich habe keine ganz präzise Vorstellung darüber, in wie weit Dinge, welche aus vermöge
unserer intellektuellen Erziehung gang und gebe sind, einem Frauenkopf fremdartig erscheinen können, doch hab ich mir Mühe gegeben, alles Philosophische in möglichst bürgerliche Sprache umzusetzen. S, jetzt habe ich Dir hoffentlich genug von den Studien gesprochen.

Für die Gretel werde ich Dir ein 'Schwäbisches Früchtebrot' schicken, das wird sie ja essen dürfen. Hoffentlich ist die Genesung regelmäßig fortschreitend. Wie lange muß sie denn noch im Spital bleiben. Daß Du nicht schon lange die Zeit für die Sprechstunde gefunden hast, kann ich nicht begreifen.

Anfang nächsten Jahres wer ich wohl ein paar Tage nach München kommen; ich soll einem Bekannten helfen ein paar Bilder kaufen. Jetzt ist es wieder halb 9 Uhr und ich mache mich auf die Beine. Herzliche GrüBe an Gretel und die Deinen und an Dich

                                                                                              Dein L. P ...


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


Erläuterungen:


© 2013 by Günther Emig. Alle Rechte dieser Edition vorbehalten! Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..