Hauptkategorie: Ludwig Pfau

Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 25. 1. 1887
Adressat: Anna Spier


Stuttgart 25 . / 1 . 87


Es ist beruhigend, liebe Anna, Dich wieder zu Hause zu
wissen in Deinen vier Wänden ( ... )

Was uns betrifft, so sind wir hier in großerWahlaufregung, denn wir haben nicht nur für unseren Stuttgarter Bezirk, sondern für alle demokratischen Bezirke des Landes zu sorgen. Kein Mensch kann wissen, wies ausfällt, diesmal weniger als je. Auf der einen Seite der Überdruß an Bismarcks ewigem gemeinschädlichen Gehetz, das Handel und Wandel zu keiner ersprießlichen Thätigkeit kommen läßt; auf der anderen Seite die unvernünftige Angst vor den Russen und Franzosen, die man mit allen Mitteln hervorruft, um die Wahlen ins Bockshorn zu jagen. Doch fängt allmählich die Unzufriedenheit an über die Angst zu siegen. - Bei Dir scheint es noch nicht so weit zu sein, denn Deine politischen Auseinandersetzungen sind weder 'muh' noch 'mäh'. Die Sache ist einfach die: Erstens ist eine nahestehende Gefahr gar nicht vorhanden, sondern Schwindel. 2.) Haben wir Soldaten genug, wenns zum Krieg käme, und die verlangte Mehrpräsenz gelangt erst in einigen Jahren zur Wirkung. 3.) Wollte ihnen der Reiehstag alles geben, was sie verlangten, aber wollte die Verwilligungsfrist auf 3 Jahre beschränken statt auf 7; nicht, um der Wehrbarmachung des Landes irgend etwas vorzuenthalten, sondern um sein konstitutionelles Recht, bei den Ausgaben ein Wort mitzusprechen - ein Recht, das man ihm mehr und mehr zu eskamotiren sucht - zu wahren. Wenn also Bismarck im Namen der Vaterlandsvertheidigung den Reichstag auflöste, so ist das nur eine diplomatische Finte; er will einen gefügigen Reichstag, nicht um ein Septennat zu bekommen, an dem ihm gar nichts gelegen und das nur ein Vorwand ist, sondern um alle die saubern Pläne, die Volks- und freiheitsfeindlichen, durchzuführen, die er mit den bisherigen Reichstagen nicht durchführen konnte, so schlecht sie waren. Wenn die deutschen Philister solche Esel sind, daß sie dies nicht einsehen, so sollen sie sich nur die Haut über den Kopf ziehen lassen.

( ... )

Fitzer kenne ich nicht persönlich, doch erinnere ich mich, hübsche Gedichte von ihm gelesen zu haben.

Nun lebe wohl, schicke mir Deinen Brief nicht erst wieder am Montag und sei herzlich gegrüßt von
Deinem L. P ...


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


Erläuterungen:


© 2013 by Günther Emig. Alle Rechte dieser Edition vorbehalten! Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..