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Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 15. 2. 1863
Adressat: Julius Haußmann


Brüssel den 15. Febr. 1863
Adresse: bei A.Meyer & Wolff.

M. l. Jack, daß aus unsern Unternehmungen nicht bälder etwas wurde, ist nicht meine Schuld, ebensowenig, daß ich vorigen Sommer statt zu Dir nach England ging. Ich hatte lange auf Nachricht gewartet; da man aber nie sicher ist, vor dem jüngsten Tage eine Antwort von Dir zu bekommen, so muß man zuletzt nolens volens seine eigenen Wege einschlagen. Ich weiß: Du warst zuerst verliebt und dann betrübt; auch hat jedes Thierle sein Manierle. Obiges soll daher kein Vorwurf, sondern nur eine Verwahrung sein; denn unter Deinen Tyrannentugenden scheint sich auch die zu befinden, welche eigene Sünden auf Anderer Buckel abzuladen pflegt. So sagst Du, daß ich empfindlich gegen Kritik sei: als ob unmotivirte
Grobheit Kritik wäre, und als ob man besonders empfindlich sein müßte, um auf einen Hundstritt mit einem Küß mich - statt mit einem Gottdank zu antworten. Wenn es Jedem erlaubt sein muß, von seinem eigenen Verstande das Beste zu denken, so ergibt sich daraus der nothwendige Schluß, daß es Keinem erlaubt sein kann, den Andern wie einen Esel zu traktiren. Damit, geliebter Jack, sei dieser Zwischenfall abgethan und zu einem (( ......... )) verwandt.

Was die photographische Miniaturgallerie betrifft, so leuchtet mir die Sache vollkommen ein. Erst vor drei Tagen stand ich mit einemAntwerpener Künstler vor dem Schaufenster eines Bilderladens, in welchem die Photographie fast alle übrigen ((Holzen)) verdrängt hatte. Eine Reihe kleiner Raphaels nach Deiner Manier veranlaßten mich zu der Bemerkung: Es ist doch eine hübsche Erfindung, jetzt kann man den ganzen Raphael in der Westentasche bei sich tragen. Worauf der Andere antwortete: Es ist schade, daß Niemand solche Ausgaben veranstaltet. Mit den modernen Bildern wird es zwar weniger leicht gehen, weil bei solchen,namentlich die bereits von Bilderhändlern ausgebeutet werden, die Gesetze über das geistige Eigenthum Schranken setzen. Es wird mir übrigens leicht werden, für eine Anzahl moderner interessanter Bilder von den Künstlern die Erlaubniß zu erhalten, auch bietet
das Alte einstweilen hinlänglichen Stoff.

Die kunstgewerbliche Acte auszubeuten bin ich mehr als je entschlossen, denn der Wind bläst ganz entschieden von dieser Richtung. Die Engländer, die auch keine Esel sind, machen ganz außerordentliche Anstrengungen in diesem Felde, und die Kunstliteratur ist dort oben auf. Von verschiedenen Seiten hörte ich die Bemerkung, eine gute Kunstzeitung würde vortreffliche Geschäfte dort machen. Auch in Belgien rührt sichs gewaltig und hunderttausende sind für Kunstzwecke erteilt worden. Die religiöse Reaktion der letzten zwölf Jahre hat sich nun überlebt, und das natürliche Complement, die Kunst, tritt jetzt in den Vordergrund, um die entstehenden Lücken auszufüllen. Nach der Ebbe kommt jetzt die Kunstfluth und es handelt sich, mit ihr in den Hafen zu laufen.

Dem sei wie ihm wolle, so viel ist klar, daß sich mit der künstlerischen u. kunstgewerblichen Frage Geld machen läßt, und deßhalb habe ich meine philosophische Scharteke einstweilen in
die Rumpelkammer gelegt. Denn die Zigeunerei wird mir täglich verdrießlicher und ich habe einen stets wachsenden Durst nach bürgerlicher Tugend. Um Dir aber nichts zu verhehlen und Dir den Schlüssel zu meiner vollständigen Bekehrung zu geben, will ich Dir nur (unter uns) gestehen, daß mir's eine kleine Engländerin angethan u. daß ich ein so eifriger  Ehekandidat bin, als Du bei Deinem letzten Aufenthalte in Paris warst. Eine Heimath u. eine Frau, d. h. jemand um mich zu haben, den ich gern haben kann u. der mich gern hat, ist mir so nothwendig geworden als Essen u. Trinken, und so lange ich die Sache nicht ins Reine gebracht habe, bin ich desselben Teufels und habe weder Rast noch Ruh. Daß die Holde gerade so reich ist wie ich, wirst Du Dir allenfalls denken können, und daß sie sonst alle möglichen Vorzüge hat, versteht sich am Rande. Was willst Du? ich habe mich nie in eine reiche
Frau verlieben können, der Mensch kann nichts für seine Natur. Komm mir nicht mit Vernunftreden, ich habe keine Angst; ich fühle Reife und Kraft in mir, aber ich fühle auch, daß mir die Ehe eine Lebensbedingung geworden ist, ohne die ich verrotte. Ich habe das Schwabenalter hinter mir und es ist jetzt hohe Zeit, wenn mir nicht bald jeder hübsche Weibermund das ominöse: zu spät! in die Ohren raunen soll. Mein rosenrothes Antlitz fängt an, sich zu fleckeln und zu fälterln und in meinem stolzen rothen Barthe erscheinen silberne Fäden. Vom Haarwuchse des obern Staates schweigen wir besser.

Ich muß also einiges Geld auftreiben u. für meine Arbeit eine hinlängliche und gesicherte Verwerthung, deßhalb hab ich die kunstgewerbliche Scharteke aufgethan und sie über den internationalen Leisten genagelt, weil von Franzosen und Engländern in dieser Richtung mehr zu erwarten ist. Sie sind keine Angstmänner und Hungerleider wie die Deutschen, und wenn sie sich zu einem Unternehmen herbeilassen, kommt es ihnen auf 100 Pfund auf oder ab nicht an. Damit ist aber nicht gesagt, daß ich auf die Scharteke mehr versessen
bin als auf die Zeitung; jedes honorige Unternehmen ist mir recht, das mir die Mittel gibt, meinen Zweck zu erreichen; und daß ich mit Dir lieber als mit irgend jemand hantierte - trotz Deiner diktatorischen Grobheit - versteht sich am Rande. Wenn Du also Lust hast, ins Zeug zu gehen, und wenn Du glaubst, mich auf Deinem Wege in kurzer Frist vom Kandidaten zum Praktikanten promoviren zu können, so bin ich Dein Mann. In diesem Falle würde ich alte angesponnene Fäden vorerst fallen lassen und nach Stuttgart kommen, denn die halben Maßregeln, das Hierhin- und Dorthinhängen, ist doch nichts. Einen kleinen Aufenthalt in Paris könnte ich mir aus verschiedenen Gründen nicht ersparen, würde ihn aber soviel thunlich abkürzen. Es muß jetzt was hergerichtet werden, und sollte ich einen alten Juden todtschlagen.

Was nun das Geschäftliche betrifft, so macht mir die 'Gewerbehalle' nicht die mindeste Angst. Bäumer fehlt es nicht an Wissen und Talent; doch ist er zu ausschließlich Architekt, ist
überdieß polytechnischer Professor und ausübender Baumeister, hat also unmöglich die Zeit, ein solches Unternehmen so zu führen, daß es gefährlich werden könnte. Never mind! Wenn ein solches  Unternehmen anziehend und nützlich werden soll, so muß es hauptsächlich die Abbildungen wirklich ausgeführter Gegenstände bringen und sich größtentheils auf die englische und französische Fabrikation stützen; denn was Deutschland diesen gegenüber auf der Ausstellung aufzuweisen hatte, war alles, wenn's hoch kommt, dritten und vierten Rangs. Im Texte kann die Theorie ihren Platz finden, aber sie muß sich an praktische Abbildungen anschließen; diese dürfen kein blauer Dunst sein. Die schönsten Zeichnungen aber, von den geschicktesten Künstlern erfunden, taugen im Allgemeinen keinen Pfifferling, wenn diese Künstler nicht im Dienste der Fabrikation stehen u. nur gelegentlich für diese oder gar
nur für die Illustration arbeiten. Nur der fabrizirende Künstler weiß, welche Formen und Zierden sich für das Material eignen, das er bearbeitet. Bäumer und Scherer haben aber weder die Erfahrung noch die Kenntnisse noch die Verbindungen, um sich des nöthigen Materials zu bemächtigen. Dazu muß man selber in die Ateliers dringen und von Zeit zu Zeit den Rahm abschöpfen. Überdies muß eine solche Zeitung großartiger und populärer angelegt sein. Während sie dem Praktiker tüchtige Muster in die Hand gibt, muß sie zugleich Sinn und  Geschmack für Kunst im Publikum verbreiten und das ganze Kunstleben als ein zusammenhängendes und sich gegenseitig bedingendes auffassen.

Damit ist aber noch gar nicht gesagt, daß die vorhergehende Herausgabe eines Werkes der sofortigen Creirung einer Zeitung nicht vielleicht vorzuziehen wäre. Ich kann nicht einsehen, warum ein Werk unpraktischer sein soll als eine Zeitung, oder warum das internationale ((Leisten)) für jenes schwieriger zu handhaben sein soll als für diese. Die Internationalität ergibt sich ganz von selbst, weil (((man))) überhaupt ein solches Werk gar nicht ausführen kann, ohne die fremden Industrien herbeizuziehen. Und was Kosten, Risiko u. Handhabung der ganzen Sache betrifft, so stellt sich das Alles bei einem Werke viel günstiger als bei einer Zeitung. Alle faux-frais, die bei einem derartigen Unternehmen immer bedeutend sind, lassen
sich einem Buche weit leichter aufhalsen, weil das Buch, wenn gut ausgeführt, immer das darauf verwandte Kapital repräsentirt u. stets verkäuflich bleibt, während das für eine Zeitung verausgabte Geld so lange ins Bodenlose fällt, als die Abonnentenzahl nicht die Kosten deckt. Daß die Herausgabe eines solchen Werkes die Herausgabe einer Zeitung unendlich erleichtern würde, ist überdies klar. Name und Autorität hätten Consistenz gewonnen, die Beziehungen wären angeknüpft, und alles würde sich von selber zudrängen. Darüber läßt sich jedoch reden. Ich kann Dir nur soviel sagen, daß ich die Sache mit Juden u. Christen, Kaufleuten u. Buchhändlern, Künstlern und Fabrikanten vielfach durchgesprochen habe, u. daß Du
der erste Mensch bist, der das Unternehmen in finanzieller Beziehung nicht vollständig korrekt findet. Geld kann an einem solchen Buche nicht verloren werden, sobald nur die  Abbildungen richtig ausgewählt u. tüchtig ausgeführt werden. Was das Programm betrifft, so läßt sich das verschieden abfassen, ist aber Nebensache. Das Publikum hat Überdruß an versprechenden Programmen, das Werk selber muß zeigen, was an der Sache ist. Also: le mariage on la vie!

Herzlichen Gruß u. schreibe bald
Dein L. Pfau


Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Best.: Q 1/2, Bü 278 (NL C. Haußmann)
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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