Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition
Datum: 22. 3. 1887
Adressat: Anna Spier
Stuttgart 22. März 1887
Liebe Anna!
Wenn ich Dir in Betreff meiner Person keine Antwort gab, so geschah dies, weil ich mir in dieser Periode selber so entleidet bin, daß ich gar nicht von mir sprechen mag. Ich mag
gar nicht aus mir heraus und mag auch gar nicht an mich selber erinnert sein. Am liebsten möchte ich eine zeitlang verschwinden, bis die Krisis vorüber ist. Was soll ich Dir auch schreiben? Mit Husten und Augen ist's so ziemlich beim Alten, und mit den Besuchen bei Haußmann und Steiners auch. Die Gedichte sind druckfertig, aber ich habe noch keinen Schritt gethan in dieser Richtung, weil ich einen Widerwillen vor allen geschäftlichen Verhandlungen habe, und mir es so gleichgiltig scheint, ob diese Gedichte gedruckt werden oder nicht, daß ich mich unmöglich zu einem Gang zum Buchhändler entschließen kann. Zuerst muß ich wieder in einer anderen Stimmung sein und wieder einiges Interesse für meine eigenen Produkte haben. Das wird schon wieder kommen; ich muß halt Geduld mit mir haben, und so mußt Du es auch machen.
Was ich aber den Frauen vorwarf, ist etwas ganz anderes, als auf Fragen keine Antwort geben (was wohl beide Geschlechter thun, wenn ihnen das Antworten gerade unbequem ist), sondern daß ihr Stil Toilette macht, wie sie selber, und die wahre klare Natur mit allerlei Frisuren, Mixturen und Garnituren zudeckt. Die Sachlichkeit, die ich vermisse, ist nicht gerade die Mittheilung von Thatsachen, sondern der sachliche Stil, der nicht einen ((Zeckenbohrer)) in zwanzig Seidepapiere wickelt.
( . . . )
Apropos,wie gehts denn mit den Pensionären, und was ist denn aus der heiligen Maria von Brüssel geworden?
Herzliche Grüße an Gretl u. an die Kinder.
Meister Spier ist ja ganz hinter den Kulissen verschwunden.
Von Herzen
Dein L. P.
Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann
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