Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition
Datum: 26. 2. 1888
Adressat: Anna Spier
Stuttgarts (( 26.)) Feb. 1888
Liebe Anna!
Du weißt, daß die Gesetzmäßigkeit nicht meine starke Seite ist, und ich mich vielmehr zu den geordneten Leuten verhalte, wie die Kometen zu den regelrechten Planeten und anderen nie entgleisenden kosmischen Unterthanen; aber in gerechter Anerkennung Deiner Bemühungen im Sinne einer unabweichlichen Umlaufszeit, will ich Dir auf den bestimmten Termin schreiben, damit die Behaglichkeit wieder bei Dir einkehre - doch will ich nicht versprechen, daß ich nicht gelegentlich wieder aus dem Tempo komme. Ich bin gegenwärtig so eingesponnen in den engen Kreis meiner literarischen Beschäftigungs so ohne allen Verkehr nach außen, daß bei mir der Trieb, mich mithzutheilen, immer mehr abstirbt. In meine Mühle kommt keine Frucht mehr, wo soll ich da Mehl hernehmen zum Brotbacken.
Ins einzelne meiner Arbeiten einzugehen, wäre langweilig, auch für Dich, selbst wenn es nicht zweimal langweilig für mich wäre, das abgethane noch einmal wiederzukäuen; und die öffentlichen Angelegenheiten in ihrer ganzen Niedertracht und Erbärmlichkeit sind mir so zuwider, daß ich auch im politischen Kampf die Anregung nimmer finden kann, die sonst den Mann im Wechselverkehr mit der Außenwelt erhält. Und wenn man so sieht , daß doch alles nichts hilft, was man an diese Esel hinschwatzt, so vergeht einem zuletzt auch die Lust zur
geistigen Arbeit. Der eigentliche Thätigkeitsnerv, die Hoffnung und die Lust der Wirksamkeit, erlahmt, und so bleibt nichts übrig als die Befriedigung an der Ausführung einer mehr oder weniger künstlerisch-stilistischen Arbeit, und das ist am Ende doch eine sterile, individuell beschränkte Genugthuung.
So habe ich Dir eigentlich nichts Rechtes mitzutheilen, und die Mittheilungen von Dir über Dein Ergehen, so erwünscht und lieb sie mir sind, sind doch notwendig zu allgemeiner Natur, um zu anregendem Ideenaustausch Stoff zu bieten. Die Menschen sind wie die elektrischen Accumulatoren; das angesammelte Fluidum geht nach und nach zum Teufel und man muß sie wieder frisch laden. Das hindert nicht, daß die elektrische Fähigkeit nicht abnimmt, aber die aktive Kraft wird zur passiven, und man begnügt sich mit Erinnerung und Hoffnung. So viel, um Dir meine Saumseligkeit im Schreiben zu erklären, von deren Existenz ich Dich übrigens gleich beim Beginn unserer Korrespondenz unterrichtete.
Im übrigen gehst Du noch weniger auf Deine geistige Thätigkeit ein, als ich; denn von der von Dir übersetzten Biographie hast Du mir nichts geschrieben, so daß ich unwissender Mensch nicht einmal weiß, wer der große Mann ist, um den es sich handelt.
Herz liche Grüße an Dich u. Gretl von
Deinem LP ....
Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann
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