Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition
Datum: 10. 7. 1890
Adressat: Theodor Barth
Stuttgart, den 10. Juli 1890
Wilhelmsplatz 7
Sehr geehrter Herr!
Anbei die Korrektur. Was die Weglassung des Schlusspassus betrifft, so bin mit Entfernung des supponirten Satzes einverstanden, wenn auch nicht mit Ihrer Begründung desselben. Eben darin, daß der Beklagte nicht wegen zu tiefen Stechens, sondern wegen zu langen Papiers verurtheilt wird, liegt ja die humoristische Verhöhnung der formalistischen Rechtssprecherei. Aber Ihr Mißverstehen beweist mir, daß die Sache nicht glücklich formulirt ist.
Dagegen wünsche ich den Schlusspassus, welcher an den Anfang wieder anknüpft, und ohne welchen der Aufsatz ausginge wie das Hornberger Schießen, beizubehalten. Ohnehin bin ich in dieser Beziehung mit Ihrer Anschauungsweise durchaus nicht einverstanden. Alle Verbesserungen in der Justiz wurden durch die Öffentliche Meinung gemacht; wenn es auf die Herren Richter angekommen wäre, so würden sie heute noch foltern und viertheilen. Zu was errichtet man denn gerade für die schwersten Fälle Schwurgerichte, wenn man zu dem Rechtsbewußtsein des Volkes ein geringeres Vertrauen hat als zu dem der Gerichte? Und was die Feststellung dieses Rechtsbewußtseins betrifft, so thun ja eben die Gerichte ihr Möglichstes, um eine solche zu verhindern, indem sie, als Kläger und Richter in einer Person, jede Kundgebung gegen ihre Richtersprüche mit dem Egoismus des Geschäftsinhabers verfolgen. Im Übrigen hat sich das öffentliche Bewußtsein über die vielen skandalösen Preßprozesse der letzten Zeit deutlich genug ausgesprochen, und es ist geradezu Pflicht der freisinnigen Presse, diesem richterlichen Unfug energisch entgegenzutreten.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr L. Pfau
Quelle: Zentrales Staatsarchiv Potsdam
Sign.: NL Theodor Barth - Nr.: 90 Ba 4 40, Bl. 1-3
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann
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