Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 7. 12. 1847
Adressat: Hermann Kurz


Stuttgart, den 7 .Dez. 1847

Mein lieber Kurz!

Leider bekam ich Euern Brief erst vor einigen Tagen, nachdem die erste Nummer des Eulenspiegel schon verfertigt war. Der Esel von einem ((Schickler)) hatte eine falsche Adresse darauf geschrieben, so daß der Brief verschiedene Reisen durch Stuttgart machte, bis er endlich wieder an ((Schickler)) zurück u. so zuletzt an mich kam. Ich hatte den Kaiser Oktavianus vorgeschoben, den wollte aber die Censur nicht dulden, weil es ein gekröntes Haupt sei, und so kam mir der Siegfried von Lindenberg ganz gelegen, nur konnte ich natürlich nicht mehr viel verändern als die Namen, weil schon alles gesetzt, die Holzstöcke fertig u. überhaupt die ganze Geschichte des Druckes gewärtig war. Ich habe somit von Euren Unterweisungen nicht mehr viel profitiren können, auch mußte ich, was die Censur nicht herausstrich, selbst zusammenstreichen, weil der Raum eines halben Bogens nirgends reichen wollte u. der Eulenspiegel doch im ersten Blatte auferstehen sollte. Das Zappeln der Beine hat mir über die Maaßen gefallen, und das hab ich noch hineingeflickt, nackt konnte ich ihn nicht mehr auferstehen lassen, weil er auf dem Holzschnitt schon angezogen war. Die Idee mit dem Schweizer Vaterunser habe ich noch benützen können. Es kommt zwar etwas spät, aber das Vaterunser ist so eingerichtet, daß man es jetzt auch noch beten kann. Von: "jetzt Deutschland sei gescheit", wollte die Censur durchaus nichts wissen; sie will eben Deutschland absolut nicht gescheit sein lassen. Übrigens ist der Censor, ((Freiherr von Linden)) , ein ordentlicher Kerl. Ich war zweimal bei ihm und hab mich mit ihm herumgestritten, u. da hat er dann doch manches passiren lassen. Er wollte anfangs nicht einmal den Siegfried im Kaiser Octavianus  n u r   l e s e n  lassen, bis ich ihm endlich begreiflich machte, der Siegfried im Roman lese ja auch in den Volksbüchern, u. das werde doch erlaubt sein. Der Censor sagte übrigens, er wolle ja gerne alles stehen lassen, was irgend menschenmöglich sei. Wir sollten in Gottesnamen über den Minister Schleyer schimpfen (!) oder über die Polizei oder über die Regierung, nur die gekrönten Häupter sollen wir nicht antasten, denn da höre alle Nachsicht auf!!

Das Gedicht von Zwieback wird in der nächsten Nummer erscheinen.  B e z i e h t  e r  s i c h  a u f  e i n e n  w i r k l i c h e n  V o r f a l l ?

Ihr werdet vielleicht mit meiner Schreiberei nicht ganz zufrieden sein, es wird Euch vielleicht zu direkt, zu gerade heraus gesagt sein; aber ich muß eben doch auch das Publikum bedenken, für das ich schreibe. Der große Haufe muß herhalten, wenn das Blatt gehen soll, u. da muß man vor allem verständlich sein. Denn der feine tiecksche Humor ist, wie Ihr selbst wißt, nie volksthümlich geworden. Dann muß man auch bedenken, daß es ein Unterschied ist, ob man ein abgeschlossenes Ganze (((s))), einen Roman ect.  schreibt oder nur Blätter, die nach und nach vor das Auge des Publikums kommen. Bei einer solchen  Art des Herauskommens macht immer das Momentane, Zufällige, Stückweise sein Recht geltend. Auf der anderen Seite würde mich eine allzugroße Consequenz auch endlich zu einem Abschluß nöthigen, und ich kann dem Eulenspiegel eigentl. nur dadurch ein langes Leben fristen, daß ich seinen Charakter etwas weit u. schlotterig halte. Im übrigen ist er ja auch ein Narr, dem es auf eine Hand voll mehr oder weniger nicht ankommt. Zu sehr darf man frei lieh nicht über die Schnur hauen, u . die Sache ist nicht leicht, das spüre ich wohl; um so mehr, als mir eigentl. das epische Talent abgeht, u. ich immer gleich in mediam rem purtzle. Ich will eben einmal sehen, wies geht; ein Hundsfutt, der mehr thut als er kann.

Die Reutlinger Geschichte in den Fliegenden kam mir zu fad vor, als daß ich an Euch dabei gedacht hätte. Von den beiliegenden Exemplaren geht eines an Groos, 1 an den edlen ((Kriger)), 1 an Malsch u. Vogel, 1 an Dr. Bader, 1 an Sekretär ((Walz)) u. 1 an Jupiter Ammon, nebst allseitigen Grüßen. Die schlechte Welt soll dessen Anschaffung in den Kneipen empfehlen. Ihr könntet ein paar Worte aufsetzen: Es komme jetzt auch in Stuttgart ein illustrirtes satirisches Blatt heraus, das seiner ersten Nummer nach Etwas verspreche, oder so, Groos gibts dann der Karlruher Zeitung. Ihr könntet vielleicht auch durch ((Maltz)) diese Nachricht in die Mannheimer Organe bringen; wenns Euch nicht zu viel Mühe macht. Für Rath u. That danke ich Euch indessen. Schreibt mir doch bald, was Ihr von der ersten Nummer haltet. Ihr habt vielleicht einige Ideen in Betreff der Fortsetzung des Siegfried - Eulenspiegel. Schickt mir doch auch bald ein(((en))) kleinen Artikel von Eurer Feder, daß das Blatt mit Eurem Namen prangt. So ein kleines Genrebildchen mit etwas politischem Pfeffer, oder so was. Die ewige griechische Geschichte will ich allerdings ausschreiben, sobald die Eulenspiegelei nur einigermaaßen in Gang ist. Das Argste ist übrigens überstanden.

Jetzt lebet wohl.

Euer L. Pfau

NB. Unser armer Papirus cursor war sehr krank, so lang ich in Heilbronn war. Eine Gesichtsrose, die in den Kopf trat, machte ihn rein närrisch. Er lief hemdig mit blankem Messer im Zimmer herum u. ließ keinen Menschen herein. Mit mir meinte er es übrigens gut, denn er verschrieb mir in seiner Narrheit 1.000 Gulden. Jetzt ist er wieder gesund.  Dem edlen ((Kriger)) werde ich nächstens schreiben. Der schlechte Baron ist hier samt Frau.


Deutsches Literaturarchiv Marbach
Best.: A: H. Kurz
Nr.: 3472/1
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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