Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 21. 1. 1857
Adressat: Karl Mayer


Paris den 23. Jan. 57

Lieber Karle!

Deinen Brief von Anno Tubak mit einer modernen Nachschrift verziert habe ich erhalten u. daraus ersehen, dass Du mich nicht ganz vergessen hast, wenn Du auch nichts von Dir hören liessest. Dies freut mich umso mehr. Ich hatte die heimliche Befürchtung, Dein Herz sei mit einer galvanoplastischen Goldkruste bedeckt und aus einem Juwel ein Juwelier geworden. Ich seh nun aber, dass ich darin nur jenem ungerechten Misstrauen Gehör schenkte, das der unverbesserliche Zigeuner vor einer vernünftigen Handthierung hat, und dass sich die Goldkurste höchstens in Deine Kasse ablagerte, was mich mehr denn je sehr freut.

Ebensoviel Vergnügen machte es mir zu hören, dass sich die liebliche Gattin, sowie die gewiss nicht minder lieblichen Möppel im besten Wohlsein befinden. Ich gedenke oft des kleinen Berberichs, Julian Daniel Schubarthin genannt, das jetzt ein netter Springinsfeld geworden sein muss. Vom Spielmann weiss ich nichts, als dass er einen dicken Kopf aus seinem Tragkissen steckte; Reinach sagt, er sei famos; aber für Göckele thut mir leid, dass er verrödingert wird, wie ich mir einbilde.

Nein, ich werde Deine Wurzelschossen hoffentlich diesen Sommer sehen, denn ich habe die feste Absicht einen Abstecher in die Schweiz zu machen. Die 50.000 Pariser Häuser liegen mir auf dem Kopf mit dem Druck x Athosphären. Gleich gehen kann ich nicht, weil ich ein neues Werk von Proudhon zu übersetzen habe, das mir einen ordentlichen Pfennig einbringen wird, von dem ich nachdem ich das unscheinbare Ferkel etwas heraus gestriegelt, ein Sümmchen zur Schweizerreise zusammenkratzen werde.

Da ich gerade an Literaribus bin, so will ich Dich doch an den Goldindustrie-Brief erinnern, den ich Dir einmal schrieb, und den ich gern haben möchte, wenn Du ihn, oder eine Uebersetzung noch besitzst. Ich schreibe nämlich eine Reihe von Aufsätzuen "die Kunst im Gewerbe" zu welchen ich schon während der Exposition die Materialien sammelte. Da es auch an die Bijouterie kommen wird, so wäre mir jene wenn auch flüchtige Arbeit nöthig, da ich in der damaligen Eile keine Abschrift nehmen konnte und nichts anderes über diesen Gegenstand besitze.

Sonst ist eine neue Wochenschrift in Hamburg unter dem Titel "das Jahrhundert" aufgetaucht, die demokratischer Tendenz ist u. für die wir: Hartmann, Kolatschek, Oppenheim ect. arbeiten. Ich habe ihnen einen historischen Aufsatz über die "gute alte Zeit in Frankreich" während und nach der Einführung des Christenthums geschickt, in welchem ich die Schändlichkeit der ersten Pfaffen, der sogenannten ehrwürigen alten Kirchenväter, in ein klares Licht setze. Ich weiss übrigens noch nicht bestimmt, ob sie ihn aufnehmen werden, da er ihnen etwas zu gross ist. Neuerdings schickte ich ihnen einen Aufsatz über den Prozess Verger's in welchem ich die franz. Pfaffen u. das franz. Gericht nach Gebühr schlecht machte. Ihr solltet diese Wochenschrift halten sie ist erstaunlich wohlfeil. So viel übers Handwerk. Nebenbei gebe ich einem jungen franz. Baron Unterricht in deutscher Literatur, für den er 5 frc per Stunde zahlen muss. Er ist aus einer legitimistischen Brut, und wenn ich gelinde politische Anspielungen mache, sagt er weder Hi noch Hott. Ich zieh ihm aber so ganz sachte die Würmer aus der Nase, indem ich gar keine Meinung affichiere. In seinen Kreisen ist man des festen Glaubens, dass Heinrich der fünfte mit dem jungen Grafen von Paris als Unterfutter nach dem Sturze des jetzigen Minotauers nach Frankreich zurückkommen und ihm die so arg erwarteten gouvernamentalen Segnungen angedeihen lassen werde. Derselbe Kreis hält übrigens den jetzigen Kaiser für den nothwendigen Retter der Gesellschaft und war schon vor dem Staatsstreiche entschlossen den Präsidenten in seinen Rettungsabsichten zu unterstützen.

Die Schweizer Lärmblase ist verknallt, wie ich es voraus sagte, obwohl Reinach noch ganz kriegwüthig hier ankam. Es versteht sich übrigens von selbst, dass ihr vorkommenden Falls über mich verfügt, wenns einmal angehen sollte. Ich bin zu jeder halsbrechenden Operation bereit; aber ernst muss es sein.

Simon geht es ganz gut. Sein Magen ist wieder ein Kerl u. er ist nun im Geschäfte eingewöhnt. Anfänglich machte ich jeden Sonntag pflichtmässige Kunstreisen durch Paris mit ihm. Später ärgerte er mich einmal, u. da liess ich ihn fahren, ohne dass die entente cordiale aufgehört hätte. Nie ist ein Mensch lehrwüthiger, als wenn er eine Sache nicht versteht. Seine ewigen Vorlesungne über Hauptbuch und Stazza, Fallen u. Steigen der Börse, Finanzzustände ect. hätte ich ihm noch verziehen, aber er wollte mit Gewalt bewundert und bedauert zugleich sein, dass ein Mann mit seinem "Lebensinhalte" Schwung geworden. Er trug gleichsam eine grosse schwarzrothgoldene Fahne über den Boulevard vor sich her, auf der geschrieben stand: Ich werde Commis. Das wurde mir dann doch zu dick. Mit Hartmann geht es langsam besser. Nun lebe wohl. Grüsse mir Gattin u. Möpel u. sei gegrüsst v. Deinem Alten.


Historisches Institut der Universität Bern
Sign.: Flüchtlingsschrank, Slg. Näf
Original: Zentrales Staatsarchiv Potsdam
Sign.: NL Karl Mayer 90 Ma 3 P 12, Bl. 26-27
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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