Ein Ludwig Pfau-Denkmal in Heilbronn
Wir werden um Veröffentlichung des nachfolgenden Aufrufs ersucht: Die Freunde Ludwig Pfau's, die sein sterblich Theil im Frühjahr 1894 gemeinsam zur Ruhe geleitet, rüsten sich, ihm in seiner Vaterstadt Heilbronn ein Denkmal zu errichten. Gleich ihnen rufen die mitunterzeichneten Verehrer des verstorbenen Dichters und Denkers aus allen Gauen Deutschlands zur Theilnahme an dem Unternehmen auf, das einen Mann ehren soll, dessen Wirken und Schaffen dem deutschen Geistesleben zu dauernder Ehre gereicht.
Als im Völkerfrühling des Jahres Achtundvierzig unter Uhland's Führung tapfere Schwaben im Geisteskampf für die Freiheit und die Wiedergeburt des Vaterlands die Reichssturmfahne vorantrugen, klang in die deutsche Welt anfeuernd und begeisternd Pfau's Lied, das an Wohllaut, Bildlichkeit, Kraft und Innigkeit wetteiferte mit der Lyrik Uhland's. In eigenartiger Weise war er begabt, klangschön, schlicht und wahr dem Empfinden des Volkes in Freud und Leid poetischen Ausdruck zu geben. Als die Katastrophe, die ihn zum Flüchtling machte, die ihn der Heimath, des Vaters, der Braut beraubte, hereinbrach und er im Ausland sein Asyl suchen mußte, begleitete ihn das feine poetische Kunstgefühl, das ihn nun befähigte, von Paris, von Belgien, von Holland als ein Vermittler der dortigen Kunstbestrebungen mit denen der Heimath zu werben.
Durch seine "Freien Studien", seine anschaulichen Berichte über das neue frische Werden auf allen Kunstgebieten, dessen Zeuge er ward, wirkte er hinfort als ein Bahnbrecher für die erfreulichsten Entfaltungen des neuerwachenden Kunstlebens im Vaterlande. Er war der erste Deutsche, der die sonnenfrohe, der Natur hingegebene Malerei der neuen großen Meister in ihrer Bedeutung würdigte und zu energischem Aufschwung mahnte. Er hatte die Wiedergeburt der Industrie durch das Kunstgewerbe gefördert. Als ein treuer Hüter des guten Geschmacks hat er dann nach seiner Heimkehr das deutsche Kunstleben, bald mahnend, bald warnend, begleitet und die Ernte seines ästhetischen Lebenswerks in sechs inhaltreichen Bänden "Kunst und Kritik" vereinigt. Derselbe tapfere Sinn, derselbe freudige Bekenntnißmuth, die seinen Charakter zum leuchtenden Vorbild für jedes Wirken im Dienste der Freiheit und Wahrheit machen, beseelen die bedeutenden Ausblicke über den Beruf der Schönheit im sittlichen Leben, welche sein Hauptwerk "Die Kunst im Staat" enthält. Schöneres und schöner ist von keinem Schriftsteller über die Kulturmission der Kunst geschrieben worden, als von ihm, dem der schlichte Griffel des Künstlers und die Feder, dies arme Werkzeug des Denkers, mächtiger dünkten als Szepter und Schwert.
Diesem hohen, seines Zieles bewußten Idealismus, der Ludwig Pfau's ganzes Wesen durchdrang, gilt es in seinem Standbild ein Ehrenmal zu weihen. In des Dichters engerer Heimath, deren Anmuth sich frühlingsschön in seinen Liedern spiegelt, der Heimath Schillers und Uhlands, soll es erstehen. Und unser Aufruf möge überall, wo deutscher Geist den ewigen Idealen des menschlichen Fortschritts huldigt, offene Herzen finden und offene Hände!
Carl Betz - Heilbronn, Gemeinderath Gustav Braun - Heilbronn, P. Bruckmann jun. - Heilbronn, Karl Emil Franzos - Berlin, Gemeinderath Wilhelm Fuchs - Heilbronn, Conrad Haußmann - Stuttgart, Friedrich Haußmann - Stuttgart, Carl Henckell - Zürich, Otto Hörth - Frankfurt a. M., Professor Kappis - Stuttgart, Professor Fr. Keller - Stuttgart, Geheimer Kommerzienrath Adolf Kröner - Stuttgart, Dr. F. Mamroth - Frankfurt a. M., Wilhelm Ostertag - Heilbronn, Rechtsanwalt Friedrich Payer - Stuttgart, Johannes Proelß - Stuttgart, Professor L. Quidde - München, Dr. S. Saul - Stuttgart, Robert Schweichel - Schöneberg bei Berlin.
[Frankfurter Zeitung. Nr. 89, 31. März 1900, S. 1-2, Kleines Feuilleton]
(Erschienen in: Ludwig Pfau Blätter. Ausgabe 1. Heilbronn 1993)