Ludwig Pfau (1821-1894)
Leben und Sterben.
Schön ist das Leben, das ist wahr,
Doch schön muß auch das Sterben sein:
Wenn leise träufelt, bis er gar,
Der einst so wilde Lebenswein,
Wenn unsres Hirnes tolle Schar
Gemach verstummt mit aller Pein –
Schön ist das Leben, das ist wahr,
Doch schön muß auch das Sterben sein:
Dringt nach der Angst und der Gefahr
Die Ruh' uns tief bis ins Gebein;
Schaut nach dem Tage heiß und klar
Ins Aug' die milde Nacht herein –
Schön ist das Leben, das ist wahr,
Doch schön muß auch das Sterben sein:
Wenn aus dem Finstern wunderbar
Die Mutter singt: schlaf ein, schlaf ein!
Bis unser Haupt, der Träume bar,
In ihrem Schoß ruht still und rein –
Schön ist das Leben, das ist wahr,
Doch schön muß auch das Sterben sein.
Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 86.
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