Ludwig Pfau (1821-1894)

Mädchenlieder.

VIII.

Lied der Spinnerin.

Schnurre, Spindel, schnurre!
Dreh dich flink und surre!
Fleißig mußt du spinnen
Für mein bräutlich Linnen.

Er weiß es nicht, mein süßer Buhle,
Welch einen Schatz ins Haus ich bring,
Was alles schlummert auf der Spule,
In meiner Fäden goldnem Ring.
Doch was ich ihm hineingesponnen
Mit mit Lieb und Treu in stiller Nacht,
Wir kommen an das Licht der Sonnen,
Daß ihm das Herz in Wonnen lacht.

Schnurre, Spindel, schnurre!
Dreh dich flink und surre!
Fleißig mußt du spinnen
Für mein bräutlich Linnen.

Ja, wo was vorgeht in dem Hause,
Du treue Leinwand, bist auch du;
Du zierst den Tisch beim Hochzeitschmause,
Und auch das Brautbett deckst du zu.
Bei solchem Fest, du loses Linnen,
Hältst du die Windeln schon bereit;
Und geht der Erdengast von hinnen,
So rüstest du das Sterbekleid.

<p>Schnurre, Spindel, schnurre!
Dreh dich flink und surre!
Fleißig mußt du spinnen
Für mein bräutlich Linnen.

Und jedes Weh und jede Wunde
Hüllst du mit sanftem Fittich ein;
In heitrer und in trüber Stunde
Kommst helfend du aus deinem Schrein.
Harr aus bei mir, du wackres Linnen,
Das ich mit eignen Händen spann;
Wahr bis ans End' das treue Minnen,
Das einst in deine Fäden rann!

Schnurre, Spindel, schnurre!
Dreh dich flink und surre!
Fleißig mußt du spinnen
Für mein bräutlich Linnen.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 119-120.
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