Ludwig Pfau (1821-1894)

Volksweisen.

II.

Ach! ihr Berg’ und tiefe, tiefe Thal!
Heut seh’ ich mein Lieb zum letzten Mal;
Ach! Ihr Thal und grüne, grüne Feld!
Heut muß ich hinaus in alle Welt.

Schauet mich nicht an und laßt mich gehn,
Wenn die Augen mir voll Wasser stehn;
Ach! wenn man von seinem Liebsten scheid’t,
Unter geht das Herz in lauter Leid.

Geht dir’s gut, mein Lieb, so denke mein,
Daß ich einsam muß im Ellend sein;
Geht dir’s übel, und so hoff’ auf mich,
daß ich komme und erlöse dich.

Ach! Ihr Berg’ und tiefe, tiefe Thal!
Tröstet ihr mein Lieb in seiner Qual;
Ach! ihr Thal und grüne, grüne Feld!
Seht, ich sag’ euch tausend Gottvergelt.

Auf dem Acker steht die Ernt’ bereit,
Schnitter singen da voll Fröhlichkeit;
Auf der Wiese blüht der rote Klee –
Doch mein Herz, mein Herz ist allzuweh!

Weinen muß ich heimlich in der Nacht,
Klagen muß ich, wenn der Tag erwacht,
Trauern muß ich, trauern allezeit –
Denn mein Lieb, mein Lieb ist allzuweit!

Ach! ihr Berg’ und tiefe, tiefe Thal!
Ach! ihr grüßt mein Lieb viel tausend Mal;
Doch ihr steht ihr fern, ihr Thal und Feld –
Und ich bin ihr nah in weiter Welt.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 128-129.
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