Ludwig Pfau (1821-1894)
Der Geiger von Oppenau.
Zu Oppenau war ein Geiger,
Der lustigste Geiger im Land,
Hat alle Wirtshauszeiger
Auf zwanzig Meilen gekannt
Wo seine Fiedel geklungen,
Da konnte kein Fuß mehr stehn,
Da sprangen die Alten und Jungen,
Die Stube fing an zu drehn.
Wann ihm das Schweben und Schwingen
Im Herzen gar wohl gefiel,
Dann hub er an zu singen,
Zu jauchzen mitten im Spiel:
»0 Handwerk sondergleichen,
Das die edle Fiedel streicht!
Da müssen die Sorgen weichen,
Die Herzen, die werden leicht
– Juhe!
Die Herzen, die werden leicht.
Ich weiß von keiner Plage,
Mein Weib von keiner Not;
In meinem Kalender die Tage,
Die Tage sind alle rot
– Juhe!
Die Tage sind alle rot.
Mein Weib ist wie die Fiedel:
Gestimmt bei Tag und Nacht;
Sie ist mein fröhlichstes Liedel,
Weist Zähne nur, wenn sie lacht
– Juhe!
Die Zähne nur, wenn sie lacht.
Drei Nächte hab ich den Reigen
Geführt im Hochzeithaus;
Nun will ich zur Ruh euch geigen:
Zuletzt geht alles aus
– O weh!
Zuletzt geht alles aus.«
Da zog er heim vom Schmause,
Das war sein schwarzer Tag:
Sein Weib war nicht zu Hause,
Sein Weib im Sarge lag.
Der Sarg kam schon gefahren
Zum letzten Ruheort;
Da setzte sich auf die Bahren
Der Geiger und sprach kein Wort.
Da spielt' er also süße
Walzer auf seiner Truh –
Zu hüpfen begannen die Füße
Die Augen weinten dazu
Da spielt' er so gewaltsam
Dem Trauerzug voraus –
Der tanzte unaufhaltsam
Den Kirchhofweg hinaus.
»Müßt nicht so finster schauen,
Herr Pfarr, zu diesem Reih'n
Das soll meiner lieben Frauen
Ehrenbegräbnis sein.
Wer fröhlich des Weges gekommen,
Dem gönnet ein fröhliches End –
So heißt, ihr Leute, der frommen
Geigerin Testament.
Nun hat sie gefreit der eine,
Der große Fiedelmann,
Der alle Sorgen alleine
Für immer vergeigen kann.«
Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 214-216.
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