Ludwig Pfau (1821-1894)

Herr Brian.

Herr Brian kam vom Krieg nach Haus,
Er sah gar bleich und traurig aus.

»Frau Mutter! ich wünsch' Euch guten Tag;
Sagt, wo Frau Elinor bleiben mag.«

»Dein Weib ging vor neun Monden aus
Und kam gar traurig und bleich nach Haus.

Sie kann nicht kommen - so geschwind;
Sie schläft und sie - gebar ein Kind!«

»Frau Mutter! so schlagt ein Bett mir auf
Und deckt ein weißes Leilach drauf.

Und schlagt es auf im untern Raum,
Sonst hört mich Frau Elinor im Traum.«

Und als die Morgenglocke rief,
Da schlief Herr Brian gar tief, gar tief.

Und als die Morgenstunde schlug,
Da wachte Frau Elinor auf und frug:

»Lieb Mutter! was geht im Hause vor?
Ich höre weinen unten am Thor.«

»Sei ruhig, mein Herz, und schlummre fort,
Des Thorwarts Kinder spielen dort.«

»Ich schliefe gern, ich schliefe wohl -
Was hämmert aber so dumpf und hohl?«

»Das werden die Zimmerleute sein,
Sie nageln einen neuen Schrein.«

»O Mutter! sag mir, was ist geschehn,
Daß alle Glocken klagend gehn?«

»Die Glocken gehen mit lustigem Schlag,
Es ist heut Sankt Johannistag.«

»Horch Mutter! das kommt wie Totengesang
So schaurig den Kirchhofweg entlang.«

»Das ist die Wallfahrt, mein Töchterlein,
Sie zieht ums Haus im Sonnenschein.«

»Sag Mutter! und hast du nicht Weh noch Leid,
Was birgst du denn da für ein trauriges Kleid?«

»Mein Kind! die Sitte kam ins Land
Zu tragen langes, schwarzes Gewand.«

»Und wenn du alles in Wohlfahrt meinst,
Wie kommt es, daß du heimlich weinst?«

»O Tochter! ich berg' es nicht länger mehr,
Die Glocken klagen und klagen sehr.

Herr Brian kam nach Hause zu Nacht
Und ist des Morgens nicht mehr erwacht.«

»Mein Mütterlein! eh' das Begräbnis beginnt,
Geh du zum Totengräber geschwind.

Er mache Platz für zwei zuvor:
Für Brian und für Elinor.

Er mache Platz genug für drei:
Mein kleines Kind sei auch dabei.«


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 197-199.
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