Ludwig Pfau (1821-1894)

Gilbert.

Armer Gilbert! edler Sänger! mit dem Herzen voll und helle,
Konnten so des Lebens Wetter trüben deines Geistes Quelle?

Hast zum Thron des Ewigschönen liebeatmend aufgeschauet -
Ist kein Balsam, schmerzenkühlend, in dein Herz herabgethauet?

Ach! des Wahnsinns Schatten ruhen auf des Sängers Angesichte –
Sieh! da strahlt sein Auge plötzlich wie von überird'schem Lichte.

Eh' sie auslischt, hebt die Lampe noch einmal die Flammenschwingen,
Und die Saiten klingen helle, wenn sie von der Laute springen.

Also lodert ihm der Dichtung Flamme auf in letzter Stunde,
Und im Scheiden spricht der Sänger Dieses mit beredtem Munde:

»Zu des Lebens Gastmahl setzte ich mich eines Tages nieder,
An des Unglücks karge Tafel, ungelabt enteil' ich wieder.

Und das Grab, zu dem ich wandre, rastlos wie die Zeiger rücken,
Wird am Seelentage keine liebe Hand mit Blumen schmücken.

Grüne Erde! goldner Himmel! dunkle Wälder! helle Thale!
O Natur, du wundervolle, sei gegrüßt zum letzenmale!

Möge deine heil'ge Schönheit vielen Freunden lange leuchten,
Deren Blick bei meinem letzten Gruße keine Thränen feuchten.

Mögen, wenn sie, reich an Jahren, sterben, ihnen Thränen fließen!
Mögen ihnen Freundeshände sanft die müden Augen schließen!«


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 245-246.
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