Ludwig Pfau (1821-1894)

Orakel.

In tiefer Nacht ging ich mit Liebesbangen
Zum teuern Hause, neuen Mut zu trinken;
Ich sprach zu mir: Wenn dort noch Lichter winken,
Dann soll dein Wunsch sein holdes Ziel erlangen.

Kein Schimmer mehr! — wie blaßten mir die Wangen!
Da sah ich einen Stern vom Himmel sinken,
Der auf das Haus herniederfuhr mit Blinken –
Und weit war mir der Himmel aufgegangen.

Ich sprach zum Lieb: Nie hat ein Stern gelogen;
Wie preis' ich dieses himmlische Orakel!
Schon seh' ich durch die Wolken heitre Ferne.

Doch sie sprach neckend: Freund, du bist betrogen!
Das war kein Strahl der ird'schen Hochzeitsfackel –
Sieh, unsrer Liebe leuchten nur die Sterne.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. [251].
Alle Rechte dieser Edition vorbehalten! © 1997-2012 by Günther Emig.
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..