Ludwig Pfau (1821-1894)

Flüchtlingssonette auf das Jahr 1849.

VI.

»Gezählt hab' ich die Thränen meiner Lieben,
Und all die Seufzer meiner Menschenherzen,
Und all die Hungerqualen, Kerkerschmerzen,
Und all den Blutschweiß, den ihr ausgetrieben.

Das alles hab' ich in mein Buch geschrieben,
Und bin bereitet nun, euch auszumerzen;
Ihr würdet schon, und wäret ihr auch erzen,
Vom Drucke eurer Sündenlast zerrieben.

Glaubt ihr die Völkerherden, die verirrten,
Hätt' ich euch anvertraut, mit ihren Vliesen
Und ihrem Blut euch Schwelger zu bewirten?

Ihr habt als Ungetreue euch erwiesen,
Drum fresse jetzt das Lamm den schlechten Hirten!«
So sprach der Herr; sein Name sei gepriesen.

Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 282.
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