Ludwig Pfau (1821-1894)

Freiheit, die ich meine.

1849.

Die Freiheit ist kein Königsweib
Mit goldgekrönter Stirne;
In Lumpen hüllt sie noch den Leib,
Die vielverstoßne Dirne.
Sie sitzet nicht im hohen Rat,
Der Worte macht statt Taten:
Die Freiheit schleicht auf ödem Pfad
Verlassen und verraten.

Sie ist auch keine Herrenmaid
Mit Rosen in dem Haare;
Die Freiheit geht, zum Kampf bereit,
Am Arm der Proletare.
Sie duldet keinen Heil'genschein,
Und mögt ihr sie auch tadeln:
Sie ist gemein und bleibt gemein
Und läßt sich nimmer adeln.

Nur seit es stets im Westen tagt,
Will sie französisch lernen;
Obwohl dies vornehm ist, behagt
Es nicht den Herrn mit Sternen.
Doch sie tragt hoch den schönen Kopf
Und ruft mit stolzem Blicke:
"Ein Untertan, das ist ein Tropf –
Vive, vive la république!"


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 353 .
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