Ludwig Pfau (1821-1894)

Sigfrid.

1848.

Wer kennt die Mär vom Sigfrid nicht?
Die weiß von Fürstendank zu sagen
Und von dem Kämpen, treu und schlicht,
So schnöd verraten und erschlagen.
Hier liegt er, bleich und jugendlich,
In seines Liedes Sarkophage –
Mein deutsches Volk! erkennst du dich
In diesem Helden deiner Sage?

Ein Sigfrid gingst du hochgemut,
Den fremden Drachen zu verderben;
Du schlugest ihn und nahmst sein Blut,
Der Fürsten Mäntel neu zu färben.
Du hast in Treuen dich erprobt
Und sie befreit durch deine Thaten;
Sie haben Freiheit dir gelobt
Und nach dem Siege dich verraten.

Kaum sahn sie deinen Reckenarm,
So ging ihr Mut in Schrecken unter –
Ist doch in deiner Fürsten Schwarm
Gar mancher feige, falsche Gunther!
Nun raunten sie im Bundessaal
Und hielten Rat mit ihren Großen,
Bis sie dir meuchlerisch den Pfahl
Der Knechtschaft durch das Herz gestoßen.

Da liegst du, herrliche Gestalt!
Auf deinem Schild und deiner Wehre,
Das Auge zu, die Wange kalt –
Doch sinnt die Stirne noch, die hehre.
Und über dir in deinem Haus
Ergeht ein Letzen und ein Laben –
Da teilen sie beim Leichenschmaus
Des Toten Hort, die frechen Raben.

Nun ruhst du, edles Heldenbild!
In Sagas unterird'schem Schlosse,
Wie Dornenröslein ernst und mild,
Und wie der alte Barbarosse.
Du schläfst, wie sie, auf ewig nicht,
Es kommt der Tag, es kommt die Stunde,
Wo Kriemhild deinen Zauber bricht
Und wach dich küßt mit glühem Munde.

Schon zweimal, bei des Hahnes Krähn,
Fuhrst du empor aus deinem Traume;
Da waren Kön'ge bleich zu sehn,
Als du gestöhnt im engen Raume.
Ha! tritt die Grimme her zu dir
Mit blankem Schwert und wehndem Haare,
Wie wirst du jugendfrisch mit ihr
Dich schwingen aus gesprengter Bahre!

Rings fließt der Völker Opferblut,
Und jeder Tag wird morgenröter –
Dein Haus ist voll von Drachenbrut,
Wach auf, du alter Drachentöter!
Die dich gemeuchelt und beraubt,
Sie leg zu Grab mit ihren Modern;
Du aber laß auf deinem Haupt
Die angestammte Krone lodern!


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 338-340 .
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