Ludwig Pfau (1821-1894)

Frau Kirche.

Frau Kirche war einst kerngesund,
Pausbackig, rotwangig, kugelrund;
Konnte Glaubenskieselstein kauen,
Dogmatische Hufeisen gar verdauen;
Führte wohl etwas sträflichen Wandel,
Stak in manchem Liebeshandel,
Hat dann zur Sühn' etlich Ketzer geröstet
Aber die Gläub'gen mit Ablaß getröstet.
War ganz wuslig, krabblig, fidel,
Soff ganz heidnisch und machte Krakeel;
Stand auch mit Herrn Jokus aufs beste,
Hatt' ihre Narren- und Eselsfeste.
Doch nun sie alt und bresthaft ward,
Griesgram und von schlottriger Art,
Kann sie den Witz nicht mehr vertragen
Ist ein Beweis von schlechtem Magen.
Seit sie taub ward auf einem Ohr
Und ihre besten Fangzähn' verlor,
Ist sie zum Lachen viel zu faul,
Weist auch nit gern ihr zahnlos Maul;
Wehrt nun andern Lust und Lachen,
Wie's alle alten Betschwestern machen.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 384 .
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