Ludwig Pfau (1821-1894)
Kanzel und Katheder.
1848.
Magister.
Mit Verlaub, Herr Doktor, ich bin so frei,
Führ' Euch da vier Herren bei;
Heißt sie willkommen in Eurem Haus,
Doktor.
Die sehn mir gar verdächtig aus.
Magister.
Sind wackere Leute und leidliche Christen,
Es sind die vier Evangelisten.
Doktor.
So was hab' ich doch gleich gedacht.
Magister.
Wir hätten mit Euch gern Fried' gemacht.
Daß ich's nur sage kurz und gut:
Ihr seid halt doch aus geistlichem Blut,
Das treibt selbst der Teufel nicht ganz aus;
Das freut uns alle überaus.
Seitdem Ihr Landstand seid geworden,
Preisen Euch die Pfaffen aller Orden;
Und seit Ihr gegen die Preßfreiheit
So recht von Herzen Flammen speit,
Steht es mit Eurem Christentum
Schon nicht mehr ganz so schief und krumm:
Kurzum! Ihr habt den Beifall und Dank,
Der Ritter- und der Prälatenbank.
Zwar habt Ihr früher – das hat uns verletzt –
Unsern Herrgott quasi abgesetzt
Und wolltet niemand nichts lassen glauben.
Als was Verstand und Vernunft erlauben;
Und das taugt nicht in den geistlichen Kram,
Der mit der Vernunft noch nie weit kam.
Doch seit Ihr Minister und Königtum
Heilig gesprochen habt um und um,
Seitdem Ihr nimmer wollt dulden noch leiden,
Daß die Wühler dran mäkeln so unbescheiden –
Können wir nimmer meinen noch denken,
Ihr wollet dem Herrn nicht die nämlich Ehr' schenken,
Ihr wollt an die Menschen lassen glauben
Und Gott allein des Kredits berauben,
Den er so schwer wie ein andrer Mann
In so schlechten Zeiten missen kann.
Herr Doktor! Ihr könntet mit Christi Söhnen
Euch jetzo sonder Scheu versöhnen;
Drum bietet die Hand und laßt Euch raten –
Ihr gäbet noch einen frommen Prälaten.
Doktor.
Mein Herr Magister lobesan,
Bleibt mir mit solchem Bund zu Haus;
Seht nur einmal die Leute an,
Die sehn ja gottsvergessen aus!
Mit Heckerbärten, rotem Gewand
Und leeren Taschen – 's ist eine Schand'!
Ihr meint, ich sei verändert und neu?
Glaubt nur, ich blieb mir immer treu;
Denn schon seit Jahren ist mir's klar,
Daß Christus der größte Wühler war,
Und die Apostel und Evangelisten
Die Ur-Kommunisten und Anarchisten.
Das ist in der Bibel deutlich zu lesen,
Weiß nicht, wie Ihr so blind gewesen,
Ja, kämen die mit ihrer Lehr'
Und Aufruhrpredigt heut einher,
Sie säßen auf der Festung schon
Zum Schutz von Ordnung, Gesetz und Thron.
Drum, bin ich den Herren gut zu Rat,
Machen sie sich fort, eh' früh als spat.
Markus.
Der Herr Doktor werden verzeihen,
Könnten uns wohl ein paar Gulden leihen
Zur Heimreis', denn der Weg ist weit;
Hatten gehofft auf bessern Bescheid,
Doktor.
Die Lunten hab' ich doch gleich gerochen,
Hat mich ordentlich in die Nase gestochen.
Macht euch nur fort, ihr Vagabunden!
Hab' mein Geld weder gestohlen noch gefunden.
Markus.
Doch des Herrn Prälaten christlich Gemüte
Verleiht uns was? O habt die Güte
Und laßt uns in so schlimmer Zeit
Nicht stecken in dieser Verlegenheit.
Magister.
Ach Gott! ich bin ein armer Mann,
Thu' zwar den Bettlern, was ich kann,
Doch wißt ihr, daß der Herre sprach:
Jagt nicht den irdischen Gütern nach!
Drum hab' ich die Ehre mich zu empfehlen,
Die Himmelsspeise wird euch nicht fehlen.
Matthäus.
Heißt das mit Liebe den Dürftigen nähren?
Versteht ihr so die christlichen Lehren?
Magister.
Ihr könnt getrost den Heimweg antreten,
Werd' in der Kirche für euch beten.
Doch rat' ich wohlmeinend das Fechten zu lassen,
Sonst möchten euch die Gendarmen fassen.
Ein Wanderbuch werdet ihr auch nicht besitzen,
Da heißt's: Augen aufthun und Ohren spitzen.
Helft euch mit Sprüchen und christlichem Wesen,
Ihr seid ja in der Bibel belesen.
Lukas.
Ach! als wir unter Heiden gegangen,
Da wurden wir menschlicher empfangen.
Magister.
Geleit' euch höflich bis zur Thüren,
Der Herr wird die Seinen schon weiter führen.
Johannes.
O weh! ich fürchte, wir haben die Welt
Mit unserm Christentum schlimm bestellt.
Magister.
Gottlob! Herr Doktor, jetzt sind sie fort!
O sagt, ich bitt' Euch, nicht ein Wort,
Daß ich die Leute brachte her,
Hätte davon doch wenig Ehr',
Wir können fortan auch gute Christen
Bleiben ohne die Evangelisten –
Wollen da gleich leihen und pumpen!
Doktor.
Ich sagt's ja gleich, es sind halt Lumpen.
Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 386-390 .
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