Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 1. 7. 1887
Adressat: Anna Spier


SStuttgart den 1. Juli 1878 [recte: 1887]

Liebe Anna!

Soeben komme ich von dem Begräbnisse einer Jugendfreundin nach Hause, deren Licht schon seit ein paar Tagen im Ausgehen begriffen war. ( ... ) Der Tod an sich wäre ja nichts Schlimmes, wenn das verdammte Sterben nicht wäre. ( ... ) Die Natur geht schließlich so mit einem um, daß man nicht nur selber gerne geht, sondern daß - was das Betrübsamere ist - die andern einen auch gern gehen lassen. Dies ist zwar nicht so zu verstehen, als ob in diesem gegebenen Falle kein Betrübniß gewesen und keine Thränen geflossen wären - aber ich selber finde eine gewisse ästhetische Genugthuung des Abschlusses im Hintergrunde meines Mitgefühls, wenn ich mich ernstlich prüfe; und das mißfällt mir, kann es aber nicht ändern. Glücklicherweise kommt die idealisirende Zeit, die alles wieder übermalt, nur freundliche Bilder zurückläßt.

Wie lang bleibt Gretl im Bad? Ich kam noch nicht dazu, ihr zu schreiben.

Der letzte Rathausartikel hat gewirkt. Der Bürgermeister ist in sich gegangen und will die Frage vorerst auf 2 Jahre vertagen. Er stellte sich an wie die verläumdete Unschuld und war
sehr betrübten Herzens über die unliebsame Beurtheilung seiner Person seitens eines Theils der Bürgerschaft. Jedenfalls ist es jetzt mit der überrumplung vorbei. Dagegen will der Gemeinderath klagen wegen Beleidigung! - Lächerlich! Er will den Jasager nicht auf sich sitzen lassen. Il n'y a que la verité qui offense.

( . . . )

Herzliche Grüße an Dich u. alle
                                    Dein L. P ...


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


Erläuterungen:


© 2013 by Günther Emig. Alle Rechte dieser Edition vorbehalten! Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..