Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition
Datum: 15. 5. 1888
Adressat: Anna Spier
Stuttgart den 15. Mai 88
Liebe Anna!
Es ist allerdings an der Zeit, daß ich Dir wieder einmal schreibe; aber wie soll man irgendeinen Drang zu Mittheilungen empfinden, wenn man im Grunde nichts zu sagen hat. Mein Leben ist gegenwärtig innerlich arm, das öffentliche Leben gewährt nicht die mindeste Anregung und ist jedem geistig strebenden Menschen einfach ein Ekel. Mein alter Freundeskreis ringsum fällt allgemach ab, die einen empfehlen sich auf Nimmerwiedersehen, und die übrig gebliebenen werden stumpf und gleichgiltig. Es ist eine allgemeine Vereisung. Ich beschäftige mich in der letzten Zeit, behufs meines fünften Bändchens, mit der Heliographie, da ich aber hier natürlich keine Gelegenheit habe, die neueren Leistungen zu sehen, so mußte ich da- und dorthin schreiben, um Erkundigungen einzuziehen und Notizen zusammenzuschleppen, und das ist mehr langweilig als erquicklich und keine freie selbständige Arbeit, wo man aus dem vollen schaffen kann. Ich habe deßhalb auch die letzte Ausarbeitung bei Seite gelegt, um mich vorher auf der Münchener Ausstellung umzusehen und aus der unmittelbaren Anschauung eine lebendigere Thätigkeit zu schöpfen. Ich werde deßhalb wohl Anfang des nächsten Monats nach München gehen und wahrscheinlich auch eine kleine Arbeit über die Ausstellung für 'Nord und Süd' ausführen.
Was die 'Gedichte' betrifft, so wird es wohl damit nächster Tage in der 'Deutschen Verlagsanstalt', welche die anderen Bände herausgibt, zum Abschluß kommen. Die Sache ist besprochen und so ziemlich mündlich abgemacht. Bei einer solchen Anstalt, wo man nicht mit einem einzelnen Haupte, sondern mit einem Verwaltungsrath zu thun hat, geht das alles langsamer. Ich wollte auch nicht über die Gebühr drängen, da ja noch Anderes vorliegt und der Band doch erst gegen Oktober erscheinen soll. Die alte Auflage habe ich selbst nicht mehr und will sie auch niemand mehr geben, weil die neue viele wesentliche Verbesserungen enthält. Den Artikel in der Gegenwart habe ich nicht gesehen.
( ... )
Da ich nun wahrscheinlich längere Zeit in München verweilen werde, wird es sich wohl machen /lassen/, daß Du während meines Aufenthalts auch hinkommst.
In dieser Hoffnung herzlich grüßend
Dein L.P ...
Grüße auch Gretl.
Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann
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