Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 21. 12. 1892
Adressat: Anna Spier


Stuttgart 21. Dez. 1892

Liebe Anna!

Daß ich Dir so lange nicht geantwortet habe, ist schändlich, und daß mich das Bewußtsein dieser Schändlichkeit vom Schreiben abhielt, statt mich dazu anzuspornen, ist krankhaft. Dieses offene Geständniß wird Dich hoffentlich entwaffnen, um so mehr, als dieser Zustand leider keine imaginäre, sondern eine sehr materielle Krankheit ist, und zwar die schlimmste und unheilbarste von allen - denn sie heißt: Alter.

( ... )

Da unter solchen Umständen alle meine weltverbindenden Telegraphenfäden nicht mehr ordentlich funktionirten, schnitt ich sie lieber ganz ab und führte die Existenz eines ((Deckelschnecken)). Doch hab ich nun endlich den Deckel beseitigt und strecke die Hörner wieder heraus. ( ... )

Wenigstens kann ich wieder mit der Feder hantieren, wenn auch noch etwas doncement, und bin mit (((der))) Zusammenstellung meiner politischen und polemischen Arbeiten beschäftigt. Weiteres will ich Dir in einem zweiten Briefe berichten; denn wir wollen unsere Korrespondenz wieder aufnehmen, wenn Du auch vorerst keine zu großen Ansprüche an mich machen darfst. ( ... ) Schicke mir daher vor allem Deine Artikel über die Münchener Kunstausstellung, welche ich dieses Jahr leider nicht besuchen konnte.

Den 'Oberhof' mit den trefflichen Illustrationen von  V a u t i e r den ich gestern an Dich abgehen ließ, wirst Du wohl zugleich mit meinem Briefe erhalten. Ich wollte Dir nach der Vernachlässigung, als billig denkender Mensch, ein hübsches Freundschaftszeichen schicken und mußte mich, nach Betrachtung all der modernen Kunstanstrengungen, doch schließlich für die klassisch-gediegenen Illustrationen Vautiers entscheiden.

Herzliche Grüße an Freunde, die nach mir fragen, an die Deinen und an Dich.

                    Von Deinem
                                     L. P...


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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