Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 26. 10. 1893
Adressat: Anna Spier


Stuttgart 26. Okt. 1893

Liebe Anna!

Seitdem ich Dir die Gedichte und die Photographie für Frau Tay schickte, habe ich nichts von Dir gehört noch gesehen. ( ... )

Daß Du in München ein inhaltsreiches Leben führtest, kann ich mir vorstellen ( ... ) Ich hatte auch ein paar mal im Sinne, aufzupacken und dorthin zu gehen. Aber ich komme so schwer zu Ortsveränderungen, weil sie für mich mit einer körperlichen Mühsal verbunden sind, die mich abschreckt, und wobei man auch zu keinem rechten Genuß kommt. Aber daß Du Gott weiß wo überall umherfährst und Deinen Heimweg nicht einmal über Stuttgart genommen hast, ist nicht schön von Dir.

Deine Studie über Schindler ist recht eingehend und hübsch, sie macht Dir alle Ehre. Auch die Artikel in der ((N. J.)) Staatszeitung sind gut geschrieben; da dieselben jedoch naturgemäß weniger prinzipielle Betrachtungen als Kritiken einzelner Bilder enthalten, so kann man über das zutreffende der Urteile keine Ansicht haben, wenn man das Beurteilte nicht selber gesehen hat; um so weniger, als eine Menge neuer Namen darin vorkommen, von welchen man überhaupt noch nichts gesehen hat. Dies ist selbstverständlich bei den meisten Kunstberichten der Fall, deren Mitteilungen, eben weil sie von neuen Erscheinungen Kenntniß geben, trotzdem von Interesse sind.

Was eine Ausstellung von Victor-Müllerbildern betrifft, so würde der hiesige Kunstverein ohne Zweifel eine solche gerne veranstalten, da wohl die Witwe Müllers keine pekuniären Zwecke dabei verfolgen wird. Falls sie es wünscht, würde ich mich mit dem Vorstand desselben ins Vernehmen setzen. Wenn es sich dagegen um eine Ausstellung mit Eintrittsgeld handelt, müßte man andere Maßregeln ergreifen, und ich würde dann mit dem Vorstand des Künstlervereins die Sache besprechen.

Du bist zwar etwas Landfährerin, aber wenn Du Gelegenheit hättest, nach Rom zu kommen, so könnte ich Dir nur gratuliren. Von einer Begleitung meiner Seits könnte leider nicht die Rede sein, ich wäre einer solchen Anstrengung nicht mehr gewachsen. Im Leben kommt eben alles zu spät, wenn man nicht zufälliger Weise auf einem Geldsack geboren wird - und das ist oft auch kein Glück. Ich glaube aber, ich hätte keinen Schaden dabei genommen.

Daß Deine Kinder auf guten Wegen sind, freut mich recht, grüße sie von mir, sowie auch Meister Spier. - In München hast Du natürlich wieder Ausstellungskritik getrieben; laß mir Deine Opera auch zukommen. In Beziehung auf Grog bin ich wieder ein trinkbarer Mann. Grüße auch Dr. Zießer und Frau Tay von mir, wenn Du sie siehst. - Mit meiner Gesundheit gehts erträglich, und am besten ists, man denkt so wenig als möglich an sich selber. Meine Schwester läßt Dich recht schön grüßen. Sie hat öfters gebrummt, als gar kein Lebenszeichen von Dir kam. Und nun beste Wünsche und herzliche Grüße von
           Deinem
                    L. P...


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann


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