Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition
Datum: 14. 12. 1891
Adressat: B. Schlesinger
San Remo, 14. Dez. 1891
Villa Flora
Lieber Herr Schlesinger!
Obwohl Sie zu der Tafelrunde gehören, welche durch den 'Beobachter' von meinem Ergehen in Kenntniß gesetzt wird, muß ich Sie jetzt doch einmal persönlich interpelliren, weil (((ich))) sonst nicht erfahre, wie es Ihnen geht. Hoffentlich befinden Sie sich wohl, und den Weihnachtstrubel haben Sie auch hinter sich, und da wäre es an der Zeit, daß Sie mir etwas aus der Kunstbude in der Königstraße vermelden. Da ich gerade bei diesem Kapitel bin, so will ich Ihnen gleich mittheilen, daß ich in Menton die Bekanntschaft eines Züricher Landschafters Namens Steiner gemacht habe, der mir ganz vortreffliche Studien (Aquarell) aus der Alpenwelt und zum Theil auch aus der Riviera gezeigt hat. Ich habe hier zum erstenmal Alpenbilder gesehen, die mich durch ihre wirklich ansprechende Auffassung und Behandlung erfreut haben; denn ich bin sonst kein großer Freund von der gemalten Alpenwelt. Ich habe ihm zugesprochen, Ihnen eine kleine Sammlung nach Stuttgart zum Ausstellen zu schicken, und ich glaube wohl, daß er sich dazu verstehen wird. Er läßt sich allerdings (( ... )) - 600 fr. für ein Bild bezahlen, aber sie sind es werth. Abgesehen jedoch von der finanziellen Frage, wäre eine Ausstellung schon an sich ersprießlich.
Ich bin augenblicklich auf einige Tage in San Remo und habe soeben Ihren Schwager Weil besucht und ihm Grüße von Ihnen und den Ihrigen ausgerichtet. Er befindet sich wohl mit seiner Familie, und Mann und Frau lassen Sie schön grüßen.
Da fällt mir bei, daß Sie auch den Medizinalrath Burkhardt (( ... )) sagen könnten, er möchte sich in betreff der zu besetzenden Bibliothekarstelle in der ((Legienskaserne)) (Kunstgewerbe-Museum) bei seinem Schwiegervater für den jungen Buchhändler Emil Vogt verwenden, der sich unter den vorhandenen Bewerbern am besten zu diesem Posten eignen würde, da er eine politechnische Bildungslaufbahn hinter sich hat, und im künstlerischen Buchhandel thätig war. Sonst setzen (((sie))) wieder irgend eine Schreiberseele her, die von der Sache nichts versteht und meint, das Publikum sei für sie da, und nicht sie für das Publikum.
Daß das Dominogewerbe fortgesetzt wird, habe ich durch Freund '((Brichte))' erfahren, sowie, daß ((Gimmelein)) bei dieser Gelegenheit mehr Glück als Verstand (in Beziehung auf das Domino) entwickelt, und daß auch in Beziehung auf die leibliche Nahrung der ((!l. )) sich einiger Besserung befleißigt.
Im übrigen bin ich mit der Wirkung meines hiesigen Aufenthalts wohl zufrieden. Seit einigen Tagen ist zwar auch bei uns der Winter eingezogen, der sich aber weniger durch Kälte als durch trüben Himmel und Regenwetter bemerklich macht. Das wird aber nicht lange dauern, denn sobald der Himmel sich aufhellt, heizt die Sonne gleich gehörig ein. Die schönsten Rosen blühen fortwährend im Freien.
Aus dem Hotel de ((Russin)) bin ich ausgezogen, weil die Kost dort ganz minderträchtig war, und wohne jetzt nebenan im Hotel des Alpes. In ein paar Tagen werde ich wieder nach Menton zurückkehren.
Herzliche Grüße an Sie und die Ihrigen von
Ihrem
L. Pfau
Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - Nr. 27.667 -
Transkription: © 1983 Dr. Reinald Ullmann
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