Ludwig Pfau (1821-1894)
Terzinen.
II.
Hier lauscht' ich oft im späten Sternenscheine,
Da du doch bist hier aus und ein gegangen;
Jetzt lausch' ich wieder einsam und alleine.
Dein Haus hat fremde Gäste nun empfangen,
Die haben ihm ein neues Kleid gegeben;
Es möchte trauern und muß fröhlich prangen.
In seinen Mauern sproßt ein neues Leben,
Und in den Räumen schallet fremdes Tosen,
Wo unsrer Liebe Geisterschatten schweben.
Verschwunden sind die Flieder und die Rosen,
Die uns in treue Arme einst genommen,
Mit Flüstern bergend unser heimlich Kosen.
Es sinkt mein Herz zu Grunde, schwer beklommen;
Fort von der Menschenwelt, die nichts verschonet,
Zu der Natur, zu der getreuen, frommen!
Ja, hier ist's, wo ein treu Gedächtnis wohnet!
Wie jeder Ort, wo wir gewallt so gerne,
Jetzt mit geheimen Liebesworten lohnet!
Herüber grüßt die wohlbekannte Ferne,
Sie scheinet schon des Mondes Licht zu ahnen,
Erwartungsvoll erzittern alle Sterne.
An alte Zeiten will sie mich gemahnen:
So war's, als ich mit wonnevollem Grausen
Erharrte dich auf diesen trauten Bahnen.
Oft bei des Windes trügerischem Sausen
Schlug hier mein Herz wildhaftig dir entgegen;
Und mußte stillen sein zu frühes Brausen.
Doch endlich schlichst du her auf diesem Wegen,
Und so viel Liebe hast du hergetragen,
Daß jetzt noch säuselt hier ein stiller Segen.
Von dir will alles singen hier und sagen,
Du kommst in tausend freundlichen Gestalten;
Ja, alles ist hier wie in alten Tagen.
Natur schlug schützend ihres Kleides Falten
Um das Vermächtnis liebetreuer Herzen,
Hier fühl' ich einem Geist, du Ferne, walten.
Und auf den Grund mit Wonnen und mit Schmerzen
Werf' ich mich nieder, den dein Fuß betreten;
Hell flackern auf des großen Domes Kerzen,
Durch meine Seele rinnt ein leises Beten.
Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 32-33.
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