Ludwig Pfau (1821-1894)
Gleichviel!
»Was strebst und gräbst du mit Bedacht,
Sobald u morgens aufgewacht?
Das Beste, was die Erde hegt,
Hat noch kein Mensch ans Licht gebracht.
Tief in dem Herzen der Natur,
Da schlummert nie geschaute Pracht.
Versunkne Wunder ruhn im Meer,
Des Goldes Fülle schläft im Schacht.
Die größten Sonnen sind im All,
Wohin kein Blick trägt, angefacht.
Die schönste Blume öffnet sich
Zur Stunde, da kein Aug’ hat acht.
Der junge Keim hat sich im Grund
Sein stillverborgen Bett gemacht.
Was dir im Busen Ew’ges träumt,
Hat, frei zu werden, nicht die Macht.
Das höchste Lied der Menschenbrust
Hat noch kein Dichtermund erdacht;
Ergründet hat kein Auge noch,
Was aus des Menschen Auge lacht:
Denn deines Lebens bester Teil,
Der schleicht durchs Herz dir still und sacht.
Was quälst du dich, o Menschenkind!
Nach jedem Sieg mit neuer Schlacht?
Ruht doch die Krone allen Seins
Unnahbar dir im Schoß der Nacht.«
Gleichviel! Das Gut des Strebens bleibt
Doch unsres Schiffes wertste Fracht.
Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 64.
Alle Rechte dieser Edition vorbehalten! © 1997-2012 by Günther Emig.
Kontakt: