Ludwig Pfau (1821-1894)
Der Todesengel singt:
Der Abend kommt, der Tag verblich,
Die Schatten wehn und weben;
Schon wächst ein langer Schattenstrich
Dir langsam übers Leben.
Gemach versinkt im Dämmerschein
Gebirg und Thal und Feld und Hain –
Schlaf, müdes Herz, schlaf ein!
So Lust und Leid, dir wohl bekannt,
Verlassen den Genossen;
Und alles, was du dein genannt,
Ist wie in Duft zerflossen.
Der Tag, er war voll heißer Pein,
Jetzt nahn die Sterne kühl und rein –
Schlaf, müdes Herz, schlaf ein!
Am Himmel flammt die letzte Glut
Und flackert trüb und trüber;
Es haucht der Wind, es rauscht die Flut,
Und alles ist vorüber.
Die Nacht bricht wie ein Meer herein,
Du wiegest auf den Wellen fein –
Schlaf, müdes Herz, schlaf ein!
Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 160.
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