Ludwig Pfau (1821-1894)
Des Königs Kleid.
Der König sitzt im Marmorsaal,
Er faßt den funkelnden Pokal –
»Wir sind bereit zum Feste!
Wo bleiben denn die Gäste,
Die Zecher all', die ich entbot?«
Des Königs Kleid ist so blutigrot.
Und lautlos öffnet sich das Thor,
Es wallt herein ein düstrer Chor
Zum Tisch mit leisen Füßen.
Sie sitzen ohne Grüßen,
Sie sitzen still als wie der Tod,
Des Königs Kleid ist so blutigrot.
Der König schaut erschrocken um –:
»Wer lud euch, Gäste, bleich und stumm?
Was soll's, mit schaurigem Nicken
Mich gläsern anzublicken?
Ihr rührt ja weder Wein noch Brot!«
Des Königs Kleid ist so blutigrot.
»Was starrt und bohrt ihr auf mich los?
Wollt euer Blut, das ich vergoß,
Aus meinem Kleid erspähen?
Das Blut könnt ihr nicht sehen,
Das bringt kein Königskleid in Not.«
Des Königs Kleid ist so blutigrot.
Und Leichenodem weht durchs Haus,
Da faßt den König kalter Graus;
Er reißt mit zitternden Händen
Den Purpur von den Lenden –:
»Hinweg dies Kleid das mich bedroht!«
Des Königs Kleid ist so blutigrot.
Doch fester klebt sein rotes Kleid,
Er muß es tragen in Ewigkeit;
Kein weißes, reines Linnen
Soll er im Grab gewinnen –
Er sinkt vom Sessel bleich und tot.
Des Königs Kleid ist so blutigrot.
Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 236-237.
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