Ludwig Pfau (1821-1894)

Späte Liebe.

O fühltest du, wie Hoffen neu und Streben
Mein Herz beseligt bis zum tiefsten Grunde,
Wenn mir ein Kuß von deinem lieben Munde
Ein Glück beschert, so schön wie keins im Leben.

O fühltest du, wie mir die Pulse beben
Und neu sich öffnet meine Liebeswunde,
Wehrst grausam du der Lippen süßem Bunde –
Gewiß, du wärest nicht so karg im Geben.

Ja fühltest du dies sehnsuchtsvolle Bangen,
O Herrin meines Wehs und meiner Wonne,
Dich selbst ergrief, zu lindern, ein Verlangen;

Du neigtest dich zu mir in holder Güte,
Wie über den beraubten Zweig die Sonne
Sich neigt, daß neu entspringe Blüt' um Blüte.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 253.
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