Ludwig Pfau (1821-1894)
Vater und Mutter.
Des Menschen Mutter ist Natur, die milde,
Sein rauher Pflegevater ist der Staat.
Die Mutter giebt dem Kinde Kuß und Rat,
Der Vater waffnet es mit Schwert und Schilde.
Er reißt das Kind hinweg, zu Kampf und That,
Vom Mutterbusen und vom Heimgefilde;
Es wandert, mit dem treuen Mutterbilde
In tiefer Brust, den fremden Dornenpfad.
Der Vater treibt es fort mit wildem Jagen,
Die Mutter sucht mit Rufen und mit Klagen
Ihr Kind auf allen Wegen ruhelos.
Ach! endlich naht es – wie gebleicht vom Harme!
Sie öffnet liebend ihm die treuen Arme –
Da sinkt es tot der Mutter in den Schoß.
Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 268.
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