Ludwig Pfau (1821-1894)

Abschied.

Geliebtes Lied! in meinen frühen Tagen
Warst du mir schon ein vielgetreuer Gast;
Du Herzgespiele meiner jungen Klagen,
Du nahmst mir ab des engen Daseins Last;
Die Seele hast du mir emporgetragen,
Wo sie der Zug der großen Schöpfung faßt –
Und alles Weh, das auf mich eingedrungen,
Es ist durch dich in sanften Hauch verklungen.

Der Abschied naht, nur noch ein leises Beben,
Den letzten Ton, du trostgesandtes Lied!
Wie sich zwei Freunde noch die Hände geben
Und umschaun noch am Kreuzweg, der sie schied.
So fahre wohl! mich nimmt das ernste Leben;
Die Saiten springen, wo die Jugend flieht –
Wir müssen wandern zu getrenntem Ziele,
Ich mit dem Stab, du mit dem Saitenspiele.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 422 .
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