Ludwig Pfau (1821-1894) · Briefedition


Datum: 30. 6. 1893
Adressat: Anna Spier


Stuttgart 30. Juni 1893

Liebe Anna! Beiliegend das Buch und die Photographie, die ich mir erst verschaffen mußte, da kein vorräthiges Exemplar mehr da war. Ich schicke daher das Paket sogleich ab, damit es für Deinen Zweck nicht zu spät kommt. – Was mein Befinden betrifft, so ist eine Besserung eingetreten, so daß ich bei den Reichstagswahlen ausgehen und meine Wählerpflicht erfüllen konnte. Das Resultat ist mehr überraschend als erfreulich. Württemberg hat sich zwar gut gehalten; aber die norddeutschen ›Brüder‹ haben immer noch den Militärteufel im Leibe.

Leider muß ich mich immer noch etwas schonen nicht nur mit dem Gehen, sondern auch mit Lesen und Schreiben, weil mein Zustand nervöser Kater und die Folge jener Hirnerschütterung ist, die mich um das eine Auge gebracht und mein Gehör geschädigt hat und die sich nun mit der abnehmenden Widerstandskraft des Alters mehr und mehr bemerklich macht. – Daß Du in Berlin viel gesehen und genossen, erfahren und gelernt hast, freut mich und war zu erwarten. Von Oskar habe ich eine Karte bekommen. Er ist sehr zufrieden mit seinem Aufenthalt. – Herzl. Grüße von meiner Schwester und von Deinem L. P…


Quelle: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.
Best.: A: Pfau - o.Nr. -
Transkription: © Dr. Reinald Ullmann (1983)


Erläuterungen:

Reichstagswahlen ] 15. Juni 1893. Die Wahl war notwendig geworden, nachdem der Reichstag eine Heeresvorlage der Regierung (Erhöhung der Heeresstärke auf rund 500.000 Mann) abgelehnt hatte. Die Wahl endete mit einem knappen Sieg für die regierungstreuen sogenannten »Kartellparteien« (Deutschkonservative, Freikonservative und Nationalliberale).

Oskar ]


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