Ludwig Pfau (1821-1894)

Amalie.

Umhergejagt auf ungebahnten Wegen,
Kehrt' ich, ein Fremdling, in das heim'sche Land;
Du tratst mir lieblich, wie ein Gruß, entgegen
In der Musik melodischem Gewand.
Wohl trank mein Auge deiner Anmut Segen,
Doch wagt' ich's kaum zu fassen deine Hand –
Dem Wandrer gleich, der im bereiften Moose
Mit Wehmut findet eine letzte Rose.

Da sprachst du freundlich: »Mit der Kraft der Töne
Laß lind mich lösen deines Schicksals Bann.
Du bist ein Kämpfer, komm, daß ich dich kröne,
Daß ich dich liebe, komm, du bist ein Mann.
Ich zahle dir mit meiner Jugend Schöne
Des Lebens Schuld, und wohl mir, daß ich's kann! –
Denn eitel nichts sind alle eure Kronen:
Das Weib allein vermag dem Mann zu lohnen.«

Schon hat dein Lenz mein Spätjahr übergossen
Mit seines Lichtes wirkungsreicher Flut:
Das Alte seh' ich neu entstehn und sprossen
Mit deinen Augen, deinem Jugendmut;
Was überwunden schien und abgeschlossen,
Schlägt wieder aus in frischer Werdeglut –
Und wie ich so an deinen Lippen hange,
Da kommt der Tod und küßt dich auf die Wange.

Ich steh' und schau' die Leuchte still vergehen.
Die dir im Antlitz holde Flammen schlug;
Die treue Brust erbebt in bittern Wehen,
Die sonst mein Haupt mit süßem Wogen trug;
Den teuern Mund muß ich erbleichen sehen,
Der mich so oft geküßt und nie genug –
Vergebens bäumt sich mir Vernunft und Wille:
Ein Sterbehauch, und eine Totenstille!

Ach! kannst du nicht den Blick noch einmal heben.
Daß ich der Liebe Stern noch einmal seh'?
Wird es denn keinen Scheidegruß mir geben,
Dein Aug', das lächelte wie keines je?
Der Tod ist grausam, grausam ist das Leben;
Die letzte Rose liegt im ersten Schnee –
So stürme, Schicksal, tobend mir entgegen:
Ich trotze dir und trotze deinen Schlägen.


Ludwig Pfau: Gedichte. 4., durchgesehene und vermehrte Auflage. Stuttgart: Bonz 1889. S. 419-420 .
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